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Deutsche sind besonders skeptisch gegenüber Flüchtlingen und Asyl

Stand: 26.12.2022.10:45 Uhr | Lesedauer: 4 Minuten

Von Stefanie Bolzen
Korrespondentin in London

Zwei Drittel der Deutschen sehen in der Aufnahme von Flüchtlingen kaum etwas Positives. Daran hat auch Putins Angriff auf die Ukraine nichts geändert. Eine internationale Umfrage zu den Folgen der Globalisierung, die WELT vorliegt, zeigt zudem einen besonders negativen Trend.

Quelle: Juana Mari Moya/Moment Open/Getty Images; Montage: Infografik WELT

Wladimir Putins Aggressionskrieg gegen die Ukraine hat nichts daran geändert, dass die Deutschen der Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisengebieten mehrheitlich skeptisch gegenüberstehen. Lediglich ein Drittel bewertet diese als eine gute Sache. Trotz der Verbrechen gegen Zivilisten und fortgesetzten Angriffen auf die ukrainische Infrastruktur gewinnen die Bundesbürger der Asylvergabe damit im internationalen Vergleich wenig Positives ab.

Nur 34 Prozent meinen, dass die Ankunft von vor Krieg und Verfolgung flüchtenden Menschen in Deutschland "gut" sei. Im Nachbarland Frankreich halten 47 Prozent dies für positiv. In Polen stieg die Zustimmung von 38 Prozent im Jahr 2021 auf aktuell 45 Prozent. Das geht aus einer repräsentativen, im September durchgeführten Umfrage hervor, die das Institut YouGov seit vier Jahren regelmäßig zum Thema Globalisierung veranstaltet. Die Ergebnisse liegen WELT exklusiv vor.

Quelle: Infografik WELT

Die skeptische Haltung der Deutschen hat sich damit in den vergangenen vier Jahren kaum verändert. Schon 2019 lag die Zustimmung bei rund einem Drittel. Putins Krieg hat zu keinem signifikanten Umdenken geführt. Nur in Dänemark liegt die Zustimmung niedriger als in der Bundesrepublik.

Seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 sind mehr als eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine nach Deutschland gekommen. Die Aufnahme einer großen Zahl von Asylsuchenden stellt Politik und Bürger erneut vor riesige systemische Herausforderungen.

Quelle: Infografik WELT

Dem Statistischen Bundesamt zufolge sind bereits in den Jahren 2014 bis 2021 rund 1,2 Millionen Menschen aus Gründen von Flucht und Vertreibung nach Deutschland zugewandert. Besonders stark war der Zuzug während der Flüchtlingskrise 2015/2016, als in wenigen Monaten mehr als eine Million Menschen in die Bundesrepublik flüchteten, unter denen Syrer den größten Anteil ausmachten.

Die YouGov-Demoskopen untersuchten in der Studie "Globalism 2022" die grundsätzliche Haltung in elf Ländern zu verschiedenen Fragen der Globalisierung, darunter auch in den USA, Australien und Kanada. Die Deutschen fallen hier in einigen Aspekten durch eine vergleichsweise stabil positive Haltung auf.

So meinen 42 Prozent, dass die Globalisierung gut sei für die deutsche Volkswirtschaft. Auch die Hälfte der Dänen schätzt die Globalisierung als positiv ein. Die Australier betrachten diese ebenfalls in ihrer klaren Mehrzahl als eine gute Sache. In Frankreich hingegen meinen das nur 19 Prozent, in Italien 24 Prozent.

Quelle: Infografik WELT

Wenn es aber um die Folgen der Globalisierung für die Deutschen persönlich geht, fällt das Ergebnis anders aus. So meinen dieses Jahr 22 Prozent, dass die globale Vernetzung negative Folgen für ihren Lebensstandard hat. 2021 sagten dies nur zwölf Prozent. Möglicherweise reflektiert dieser starke Anstieg die stark angezogenen Energiepreise, die Folge sind von Putins Krieg gegen die Ukraine und von Deutschlands Abhängigkeit von Moskau.

Auch in Frankreich, Italien und Spanien stieg die Zahl derer auffallend, die Globalisierung 2022 als negativ für ihr persönliches Auskommen beurteilen. In allen elf untersuchten Ländern herrscht hingegen überwiegend eine große Bereitschaft, Zuwanderer mit hohen Qualifikationen aufzunehmen. 65 Prozent der Deutschen halten dies für gut, im Vereinigten Königreich sagen dies sogar 80 Prozent. Nur in Frankreich fällt die Skepsis auch bei der Aufnahme qualifizierter Migranten mit 56 Prozent größer aus.

"Seit Beginn der Studie stellen wir bei einigen Aspekten der Globalisierung klar einen Rückgang positiver Wahrnehmungen fest. Einige fundamentale Feststellungen aber bleiben: dass die Resultate viele Facetten negativer wie positiver Perzeptionen aufweisen, dass Haltungen variieren. Und damit einfache Generalisierungen pro oder anti Globalisierung infrage stellen", sagt Joel Rogers de Waal, Direktor bei YouGov.

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Brüssel reagiert auf die anhaltend große Zahl von Flüchtlingen derweil immer deutlicher. Vor wenigen Tagen einigten sich die Botschafter der EU-Mitgliedstaaten darauf, dass die ärmsten Länder der Welt ausreisepflichtige Staatsangehörige zurücknehmen müssen, wenn sie weiterhin vom zollfreien Handel mit der EU profitieren wollen.

Es werde "eine neue Verbindung zwischen den Handelspräferenzen, die den begünstigten Ländern gewährt werden, und ihrer Zusammenarbeit im Bereich der Migration und der Rückübernahme eigener Staatsangehöriger, die sich illegal in der EU aufhalten, geben", heißt es in einer Mitteilung der EU-Kommission.

Derzeit haben rund 60 Länder des Globalen Südens einen begünstigten Zugang zum europäischen Binnenmarkt, ohne dass die Länder im Gegenzug ihre Märkte für europäische Produkte öffnen müssen. Das regelt seit 1971 das sogenannte Allgemeine Präferenzsystem (Generalised Scheme of Preferences, GSP). Die Kommission hat nun eine Reform des GSP vorgeschlagen, mit der sie den Marktzugang an migrationspolitische Ziele knüpft.

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"Das entwicklungspolitisch wichtige Instrument des Allgemeinen Präferenzsystems darf nicht zum Spielball einer europäischen Migrationspolitik werden, die dem Primat möglichst rascher Rückführungen um jeden Preis folgt", erklärte Andreas Grünewald, Referent für Migration für das Hilfswerk Brot für die Welt gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). Damit drohe die EU, Länder wie Mali oder den Senegal zu destabilisieren. Deutschland hat sich laut einem Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Abstimmung enthalten.

Das Gesetz muss noch mit dem Handelsausschuss des Europäischen Parlaments abgestimmt werden. Das Parlament lehnt es bisher strikt ab, den Zugang zum EU-Binnenmarkt an migrationspolitische Ziele zu knüpfen. Es ist aber unklar, ob es dem Druck von Kommission und Rat bei den anstehenden Verhandlungen standhalten wird.


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© infos-sachsen / letzte Änderung: - 16.01.2023 - 17:22